Lernen ohne Lehrer?

Shodo Meister
Shodo Harada Roshi, Abt des Zen-Klosters Sogenji in Okayama, Japan. Er ist Zen- und Shodo-Meister und war ein Freund meines verstorbenen Lehrers Sasaki Yutaka.

Möchte man in Europa Shodo erlernen ist es schon schwierig an gute Pinsel und Tusche zu kommen, aber es ist noch viel schwieriger einen guten Lehrer oder Lehrerin zu finden. Shodo-Sensei sind hier selten, noch seltener gleich in der Nähe. Shodo ist eine Kunst, die sich nicht während eines Wochenendkurses einmal im Jahr erlernen lässt. Es braucht regelmässige Begleitung über einige Jahre, bis wenigstens die Grundlagen einigermassen gemeistert werden können. Genau wie wenn man ein Musikinstrument erlernen möchte.

 

Lässt sich Shodo durch Bücher erlernen?

Ich lasse mich gerne eines besseren belehren, aber bis heute habe ich noch kein Buch auf Deutsch gefunden, dass eine ernsthafte und vertiefte Einführung in Geschichte, Material und Technik dieser Kunstform bieten würde.

In meiner Bibliothek stehen ein paar interessante Bücher auf englisch. Die meisten davon musste ich antiquarisch erwerben. Eine brauchbare Anleitung der Pinseltechnik bieten jedoch auch sie nicht.

Die einzigen brauchbaren Bücher für das Selbststudium die ich fand sind auf japanisch geschrieben (auf chinesisch wird es sicher auch entsprechende Literatur geben). Sie enthalten Grundlagen und viele Übungsbeispiele in den verschiedenen Schriftstilen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sie (besonders am Anfang) einen Lehrer nicht ersetzen können.

 

Von meinem Sensei habe ich nicht nur die richtige Pinselhaltung und -technik gelernt sondern auch viel über den kulturellen Hintergrund der Zeichen. Es ist wichtig, das Lehrer und Schüler sich gegenseitig beim Schreiben beobachten können. Vieles lässt sich durch Worte nur ungenügend ausdrücken. Auch nach über zwanzig Jahren kann ich mich z.B. noch an den Schreibrythmus von Sasaki Sensei erinnern.

Zwei weitere Schwierigkeiten, die besonders uns Westler betreffen, machen einen Lehrer unentbehrlich. 
Menschen in China oder Japan sind seit ihrer Kindheit täglich von chinesischen Schriftzeichen umgeben und schulen so unbewusst ihr Auge für Proportionen und Aufbau der Zeichen. Und natürlich kennen sie auch die Bedeutung von sehr vielen Kanjis. Für uns hingegen ist es am Anfang praktisch unmöglich die Qualität eines guten Schriftkunstwerkes oder unsere eigenen Fehler zu erkennen.

Ein grosser Teil des Shodo-Trainings besteht darin, gute Vorlagen zu kopieren, zu kopieren zu kopieren. Am Anfang Vorlagen unseres Lehrers bzw. unserer Lehrerin, später dann auch die Schriften alter oder moderner Meister. Wir benötigen also gute Vorlagen. In Ostasien gibt es seit hunderten von Jahren unzählige Vorlagenbücher zu kaufen. Am einfachsten ist es also nach Ostasien zu reisen und dann gleich noch gute Tusche und Pinsel zu kaufen...

Eine andere Möglichkeit bietet heute das Internet. Leider ist es aber auch voll von schlechten bis miserablen Beispielen. Ich rate deshalb davon ab, auf eigene Faust im Internet auf die Suche nach Vorlagen zu gehen, solange das eigene Auge noch ungenügend geschult ist! Dasselbe gilt für Youtube-Tutorials. Abgesehen davon findet man die besten Beispiele oft nur, wenn man die Suchmaschine auf Chinesisch oder Japanisch abfragt.

 

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